Immer weniger Kinder kommen in die Kindergärten des Freistaats. Etliche Kommunen planen Kita-Schließungen oder bauen Plätze ab. Die Thüringer Bildungsgewerkschaft GEW warnt vor den Folgen.
Erfurt. Hat Thüringen bald zu viel Fachpersonal in den Kindergärten des Landes? Angesichts sinkender Kinderzahlen stellen Kommunen und andere Träger teils ihre Einrichtungen auf den Prüfstand oder planen eine Reduzierung der Wochenarbeitsstunden beim Personal. Im Altenburger Land schließen zum Ende des Kita-Jahres Ende Juli drei Einrichtungen, betroffen sind zwei kommunale und eine in freier Trägerschaft. «In einigen Einrichtungen wird es nicht ausbleiben, dass Personal abgebaut werden muss», heißt es auf Anfrage aus dem Landratsamt. Um Entlassungen zu vermeiden, arbeiteten Kita-Träger vor allem mit einer Reduzierung der Wochenarbeitszeitstunden. Auch die Stadt Weimar plant den Abbau von rund 500 Plätzen in den Kitas. Das soll auch durch die Schließung von Einrichtungen erfolgen. Hintergrund sind geringe Geburtenzahlen. Der Saale-Holzland-Kreis rechnet damit, zum 1. Juli 2026 rund 1.000 freie Kita-Plätze zu haben. Eine Einrichtung soll zum 1. August schließen. Die Stadt Eisenach rechnet mit zurückgehenden Kinderzahlen bis mindestens zum Jahr 2030. Dementsprechend werde auch der Personalbedarf zurückgehen, heißt es auf Anfrage. Dies könne «zunächst durch Verringerung der Wochenarbeitszeit bei den pädagogischen Fachkräften sowie durch Nichtnachbesetzung von Stellen bei Renteneintritt o.ä. abgefangen werden». «Ja, Ostdeutschland hat ein Demografieproblem», sagte Bildungsminister Christian Tischner. In den 1990er Jahren seien viele 20- bis 30-Jährige in westdeutsche Bundesländer abgewandert, andere wiederum hätten weniger Kinder bekommen, «weil es eine unsichere Zeit war». «Mit dieser historischen Situation muss jedes Land umgehen, auch wir in Thüringen», sagte er. Dennoch gebe es keinen flächendeckenden Personalüberschuss in den Kindergärten. Man beobachte die Lage aber. Er könne jungen Menschen weiterhin empfehlen, den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers zu ergreifen - zumal auch im Kindergartenbereich ein Generationenwechsel stattfinde und Fachkräfte in Rente gingen. Der Rückgang der Kinderzahlen zeichnet sich schon seit Jahren ab. Im vergangenen Jahr beschloss der Thüringer Landtag, die Betreuungsqualität in den Kindergärten zu verbessern, indem er den Personalschlüssel veränderte. So muss sich eine Fachkraft um weniger Kinder gleichzeitig kümmern. Dies sollte zugleich dabei helfen, die sinkenden Kinderzahlen abzufedern und den Trägern ermöglichen, ihr Fachpersonal zu halten. Nach Angaben einiger Kommunen hat das Instrument geholfen, die Folgen der sinkenden Kinderzahlen abzufedern. Aber möglicherweise reicht das noch nicht. Nach Ansicht der Landesvorsitzenden der Bildungsgewerkschaft GEW, Kathrin Vitzthum, müsste an dieser Schraube weitergedreht werden. Sie warnte vor einer Abwanderung von Fachpersonal in westdeutsche Nachbarländer. «Wir wissen ja, dass es in den westlichen Bundesländern einen enormen Fachkräftebedarf gibt im Bereich der Kindergärten», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Ihre Befürchtung: Lenkt die Politik nicht ein und passt den Personalschlüssel an, könnten sich Erzieherinnen und Erzieher in Hessen, Niedersachsen oder Bayern nach Jobs umsehen. «Dann würden wir ganz viele Beschäftigte an den Randgebieten des Landes auf Dauer verlieren», sagte Vitzthum. Vor allem freie Träger von Kindergärten arbeiten laut Vitzthum mit sogenannten Sockel-Arbeitsverträgen. Bedeutet: Wird weniger Personal benötigt, können die Erzieherinnen und Erzieher bei den Arbeitswochenstunden auf einen Sockel zurückfallen - beispielsweise 20 Stunden. Das wäre dann eine Art unfreiwillige Teilzeit-Lösung. Vitzthum sagte, das sei ein massiver Eingriff in das Gehalt der Beschäftigten. «Es wird Erzieherinnen geben, die sagen: Das kann ich mir nicht mehr leisten.» Nach Angaben des Ministeriums wird der neue Personalschlüssel noch nicht flächendeckend eingehalten. Fachkräfte würden in den Kindergärten weiterhin gebraucht.Kreis rechnet mit 1.000 freien Kita-Plätzen 2026
Minister: Kein flächendeckender Personalüberschuss
Weniger Kinder pro Fachkraft
Weniger Gehalt durch Reduzierung der Arbeitszeit
(dpa/th)
Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten