Jahrelanger sexueller Missbrauch einer Schülerin: Die Staatsanwältin spricht von einem «Klima des Wegschauens». Welche Strafe erwartet den Angeklagten?
Erfurt. Wegen des sexuellen Missbrauchs einer Schülerin soll ein Erfurter Lehrer nach dem Willen der Staatsanwaltschaft für sechs Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Der 63-Jährige habe das Mädchen über einen langen Zeitraum missbraucht, sagte Staatsanwältin Dorothee Ohlendorf. Zwischen 2016 und 2020 habe er sich in mehr als 80 Fällen in der Schule, auf zwei Klassenfahrten und in seinem Wohnhaus an dem Mädchen vergangen. Die Schülerin sei beim ersten Geschlechtsverkehr 13 Jahre alt gewesen. Der Angeklagte müsse sich der Frage pädophiler Neigungen stellen, so Ohlendorf in ihrem Plädoyer. Als strafmildernd sei das vollumfängliche Geständnis des Angeklagten vor Gericht und seine Entschuldigung an die Schülerin - die in dem Prozess als Nebenklägerin auftritt - zu werten. Der Gymnasiallehrer habe jedoch in seinem Aussagen vor Gericht deutlich erkennen lassen, dass er dem Mädchen eine Mitschuld an dem Geschehen gebe. Der Angeklagte habe die Schülerin als Sexobjekt degradiert und sich ihr gegenüber empathielos und manipulativ verhalten, sagte Ohlendorf. Bei dem Opfer sei eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden, mit deren Symptomen die junge Frau bis heute zu kämpfen habe. Die Staatsanwältin sagte, es sei für Opfer in einem schulischen Umfeld meist schwierig, sich zu offenbaren. Oft herrsche ein Klima des Wegschauens und Negierens. Alle die von Übergriffen und Belästigungen erfahren, sollten das zur Anzeige bringen, appellierte Ohlendorf. Das Verfahren zeige, dass auch eine gewisse berufliche Stellung nicht vor Strafe schütze. Die Nebenklage schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an. Die Verteidigung plädierte auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten. Der Angeklagte habe sich in einem voll besetzten Gerichtssaal und unter großer medialer Aufmerksamkeit zu den Taten bekannt, so die beiden Verteidiger. Zudem sei der Sport- und Geschichtslehrer zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten und habe einen Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von 30.000 Euro angeboten. Das Urteil wird gegen Mittag erwartet.«Klima des Wegschauens und Negierens»
(dpa/th)
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