Esso will im Thüringer Boden nach Lithium bohren ? doch bis zur ersten Förderung könnten noch viele Jahre vergehen, so Experten. Wie viel steckt wirklich drin, und wird sich der Abbau lohnen?
Erfurt/Hannover. Der Tankstellenbetreiber Esso, ein Tochterunternehmen des Ölkonzerns ExxonMobil, darf in Thüringen auf 4.050 Quadratkilometern nach Lithium suchen. Der Rohstoff steckt unter anderem in Akkus für Elektroautos und Smartphones. Der Mineralölkonzern rechnet damit, dass sich die weltweite Nachfrage nach Lithium als wichtiger Baustein für die Energietransformation bis 2030 voraussichtlich vervielfachen wird, wie ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte. Lithium ist ein wichtiger Rohstoff für die Energiewende und unter anderem Schlüsselelement für Lithium-Ionen-Batterien, die vor allem für Elektroautos wichtig sind. Nach Angaben des Umweltministeriums in Erfurt hat das Umweltlandesamt der Esso Deutschland GmbH die bergrechtliche Erlaubnis zu vorbereitenden Schritten für die Suche nach Lithium, Mangan und Zink erteilt. Die in der Diskussion stehende, rund 4.050 Quadratkilometer große Fläche umfasst teilweise oder ganz die Landkreise Eichsfeld, Nordhausen, Kyffhäuserkreis, Sömmerda, Weimarer Land, Gotha, Wartburgkreis, Ilm-Kreis und Unstrut-Hainich-Kreis sowie die kreisfreien Städte Erfurt und Weimar. Die Esso-Konzernmutter ExxonMobil hat sich nach eigenem Bekunden zum Ziel gesetzt, einer der weltweit führenden Lithium-Anbieter zu werden. Zu diesem Zweck erkundet das Unternehmen bereits im US-Bundesstaat Arkansas Vorkommen. Auch dort geht es um Lithium, das im Tiefenwasser gelöst ist. Ein vom Bundeswirtschaftsministerium koordiniertes Forschungsprojekt mit dem Namen «Li+Fluids» hat das Potenzial für die Lithiumgewinnung aus dem Tiefenwasser in Deutschland untersucht - auch im Thüringer Becken. Experten der am Projekt beteiligten Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien (IEG) schätzen demnach, dass rund 0,39 bis 26,51 Millionen Tonnen Lithium unter Thüringen im Tiefenwasser gelöst sind. Das sei ausreichend für den deutschen Bedarf mehrerer Jahrzehnte, heißt es weiter. Auch in Niedersachsen suchen Esso und andere Unternehmen auf einer Fläche von 7.500 Quadratkilometern. Hinzu kommen Vorkommen unter der Erde am Oberrhein und unter der Altmark. Das größte europäische Lithiumvorkommen wird allerdings im Gestein unter dem Osterzgebirge auf beiden Seiten der deutsch-tschechischen Grenze vermutet, wie Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) sagt. In Sachsen wie auch Tschechien gibt es deshalb Bergbaupläne. Ob es wirklich einmal Lithiumabbau in Thüringen geben wird, ist unklar. Weder für den Freistaat noch für das benachbarte Niedersachsen, wo Esso ebenfalls nach Lithiumvorkommen suchen will, kann der Konzern aktuell Aussagen zu Erfolgsaussichten treffen. Ob die Weltmarktpreise einen Abbau lukrativ machen, hänge wesentlich davon ab, was in China passiere, da das Land in jedem Bereich der Wertschöpfungskette beim Thema Lithium einen Marktanteil von mindestens 50 Prozent halte, sagt Schmidt. Experten rechneten damit, dass spätestens ab den frühen 2030er Jahren die Nachfrage deutlich das Angebot übersteigen werde. Viel wichtiger als die Weltmarktpreise sei allerdings die politisch gewollte, strategische Unabhängigkeit vom Weltmarktführer China, betont Schmidt. Entscheidend sei dann die Frage, «was ist es uns wert, unabhängiger zu sein». Die Erlaubnis räumt der Esso Deutschland GmbH nach Angaben des Ministeriums in einem ersten Schritt das Recht ein, die geologischen Vorkommen der Rohstoffe durch umfassende Datenanalysen zu untersuchen und deren wirtschaftliche Gewinnbarkeit zu prüfen. «Erst wenn diese mindestens zwei Jahre dauernden Analysen erfolgreich sein sollten, kann es im zweiten Schritt zu physischen Aufsuchungsarbeiten wie beispielsweise Bohrungen, kommen», heißt es. Dann wäre ein zusätzlicher Betriebsplan erforderlich, der genaue Standorte und Verfahren definiert. Bei den Genehmigungen zur Erkundung geht es nicht um konkrete Handlungen zur Förderung. Dazu müssen noch bergrechtliche Betriebspläne vorgelegt und erlaubt werden. Für diese ist unter anderem ein gesondertes Beteiligungsverfahren notwendig. Vom Erstfund bis zur Produktion gingen in der Regel zwischen fünf und 15 Jahre ins Land, sagt Rohstoff-Experte Schmidt. Wie das Lithium gewonnen werden könnte, ist aber schon klar: Perspektivisch geht das laut Umweltministerium im sogenannten Bohrlochbergbau, ähnlich der Tiefengeothermie. Dabei würde aus mehreren hundert Metern Tiefe Wasser gefördert, das Lithium enthalte. Dasselbe Verfahren wolle ExxonMobil auch in den USA einsetzen, sagt ein Sprecher. Das Lithium wird demnach oberirdisch abgetrennt und vor Ort in batterietaugliches Material umgewandelt. Die restliche Sole werde dann wieder in den Untergrund zurückgeführt. Das Verfahren gelte als flächenschonend, vergleichsweise emissionsarm und sei umweltfreundlicher als etwa der im Osterzgebirge geplante Bergbau, bei dem Lithium aus Festgestein unter Tage gewonnen werden soll und für den größere Aufbereitungsanlagen sowie eine Abraumhalde nötig wären.Wofür hat Esso bisher eine Erlaubnis?
Wo genau will das Unternehmen suchen?
Seit wann interessiert sich ein Mineralölkonzern für Lithium?
Wie viel Lithium schlummert unter Thüringen?
Wird sich der Abbau für Esso lohnen?
Wann soll vor Ort gebohrt werden?
Wann könnte eine tatsächliche Förderung beginnen?
(dpa/th)
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